Donnerstag, 6. August 2009

dirigieren oder mitspielen?

Nigel Kennedy verzichtete bei der Aufnahmen seiner CD mit Beethoven Violinkonzert D-dur op. 61 und Mozart Violinkonzert Nr. 4 D-dur KV 218 auf den Dirigenten. In einem Interview begründet er dies auf sehr drastische Art: „In meinen Augen sind die grotesken Winksignale des Dirigenten und die Gründe, weshalb jemand Dirigent werden möchte, verdächtig. Ich verstehe einfach nicht, warum jemand, der ein Instrument spielen kann, aufstehen und mit einem Taktstock durch die Luft wedeln möchte. Die positive Motivation, ohne Dirigent zu musizieren, ist die Kommunikation, die unter den Orchestermusikern und zwischen mir und dem Orchester stattfindet. Sie wird nicht unterbrochen von jemandem, der mit den Armen wedelt, wörtlich oder im übertragenen Sinne.“ Nun könnte man meinen, dass Nigel Kennedy mit seinen Jazz-Aufnahmen, seiner Kadenz im Mozart Violinkonzert auf der e-Geige sowieso als eine Art "Punk" der Szene heraussticht.

Tatsächlich verweigern sich ganze Orchester der Diktatur des Stockes: Das 1972 in New York gegründete Orpheus Chamber Orchestra ist für seine eigenwillige Einstudiermethode berüchtigt. Und dann geht es nicht mehr nur um unmittelbaren Hörkontakt der Musiker, denn als Organisationsprinzip haftet dem etwas basisdemokratisches an: Die Interpretation der Stücke schreibt kein Einzelner vor, sondern wird diskutiert und gemeinsam festgelegt. Zuzugeben ist allerdings, dass die politische Zuordnung nicht eindeutig ist, der Dirigent dürfte nicht nur Demokraten ein Dorn im Auge sein. Von 1922 bis 1932 musizierte das Moskauer Orchester Persimfans ebenfalls ohne Dirigent, allerdings um den Kollektivismus in der Musik durchzusetzen; das Ensemble wurde auch das „Kind der Revolution“ genannt.




Unabhängig von der politischen Orientierung, scheint es auch sozial einige Vorteile zu geben: Teamwork ist beliebt, Teamwork schafft Zusammenhalt, Identifikation mit dem Projekt usw. Der schweizerische Komponist Hans Wüthrich hatte dagegen wohl schlicht musikalische Gründe, als er zwei Stücke "für autonom kybernetisch sich selbst regulierendes Orchester ohne Dirigenten“ schrieb Netzwerk I (1982-1985) (...Wie in einem sehr grossen Schiff oder Fisch...) und Netz-Werk II (1984-1985) (Flexible Umrisse). Das Orchester als Netzwerk bewusst zur Kommunikation eingesetzt. Interessante Ideen, die Frage ist nur, ob nicht entweder die Probendauer deutlich ansteigt oder letztlich doch Einzelne den Ton angeben: der Konzertmeister, der Orchestergründer oder im Falle Nigel Kennedys offensichtlich der Solist.

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