Donnerstag, 20. August 2009

wildern auf fremdem terrain

Was passiert, wenn ein Musikinstrument die Stimme eines anderen spielt? Jedes Instrument hat seinen unverwechselbaren Charakter, dessen wortreichste und phantasievollste Beschreibung Thomas Mann in seinem Roman Doktor Faustus verfasst haben dürfte: „Da lehnte in mehreren Exemplaren, das Violone, die Riesengeige, das schwer bewegliche Kontrabaß, majestätischer Rezitative fähig, dessen Pizzicato klangvoller ist als der gestimmte Paukenschlag, und dem man den verschleierten Zauber seiner Flageolett-Töne nicht zutrauen sollte. 
Und ebenfalls wiederholt war sein Gegenstück unter dem Holz-Blasinstrumenten vorhanden, das Kontrafagott, (...) gebaut in den doppelten Dimensionen seines kleineren Bruders, des scherzosen Fagotts, das ich so nenne, weil es ein Baß-Instrument ist ohne rechte Baßgewalt, eigentümlich schwächlich von Klang, meckernd, karikaturistisch. (...) 
dazu die Querflöte (...) nebst ihrer schrillen Verwandten, der Piccolo-Flöte, die im Orchester-Tutti durchdringend die Höhe zu halten und im Irrlichter-Reigen, im Feuerzauber zu tanzen weiß. Und nun erst der schimmernde Chor der Blechinstrumente von der schmucken Trompete, der man das helle Signal, das kecke Lied, die schmelzende Kantilene mit Augen ansieht, über den Liebling der Romantik, das verwickelte Ventilhorn, (...) bis zu der gründenden Schwere der großen Baßtuba.“

Nun fügt die Kunst der Orchestrierung diese einzelnen Charaktere zu einem Gesamtbild zusammen. Ähnliches gilt wie nach Kandinskys Prinzip der inneren Notwendigkeit in der Kunst für die Musik: Der bewusste Einsatz von Instrumenten kann Wesenszüge der Musik verstärken, aber auch kontrastieren - oder auch personifizieren bei Programmusik. Tauscht ein Instrument mit einem anderen, ändert sich der Zusammenhang. Nicht vorzustellen wäre es, wenn bei Peter und der Wolf von Sergej Prokofjew die Querflöte den Wolf verkörpern, oder die Oboe die Jäger darstellen würde. Jäger wecken offensichtlich andere Assoziationen als das leicht gequetscht Quakende der Oboe, das als typisch für eine Ente gelten kann. Derartige Musik-Instrument-Beziehungen sind hingegen besonders bei Programmusik besonders krass, dessen naturalistische Nachahmungsambitionen zum Klang in besonderem Verhältnis steht, während für sich selbst stehende Musikstücke Neuinterpretationen durchaus offener sein können.

Für Musikvirtuosen ist es ein beliebtes Spiel sich Solopartien anderer Instrumente anzueignen. Wenn Alison Balsom mit ihrem Album Caprice die Trompete in neue Gefilde führt, oder Sabine Meyer in Una Voce...Per Clarone Opernwerke an Klarinettenklänge adaptiert, können herausragende Fähigkeiten des Instrumentalisten hervorzuheben. Dann geht es auch um die Wandlungsfähigkeit des Instruments, das durch Virtuosentum andere Klangfarben erreicht. Ob Neuinterpretation eines Musikstückes oder Veränderlichkeit eines Instruments, zumindest bedarf es also besonderer Fähigkeiten, das charaktervoll Eingesetzte auszutauschen.

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