Samstag, 19. September 2009

hilary hahn, oistrach und historische aufführungspraxis





Was gefällt wann – ab bis wann - und wieso? Das 1. Violinkonzert von Johann Sebastian Bach BWV 1041 hat gewiss eine zeitlose Klarheit. Bei Hilary Hahn gewinnt es an Tempo - trotzdem spielt sie es sehr exakt, absolut präzise und sauber fast streng, aber trotzdem flexibel und spielerisch. Perfekt. Schon mit 17 Jahren spielte Hilary Hahn Bach Partiten und Sonaten auf CD ein und überraschte die Musikszene mit der klaren Reife ihrer Interpretation. Dass es auch anders schön geht, demonstriert das kanadische Barockorchester Tafelmusik Baroque Orchestra unter der Leitung von Jeanne Lamon. Die wunderschöne dem historischen Stil verpflichtete Aufnahme mit Cembalo sticht durch ihre natürliche Nebensächlichkeit hervor: die Violine steht nicht ausschließlich im Vordergrund, das Tempo ist getragener aber trotzdem fließend, Verzierungen werden frei hinzugefügt.

Natürlich muss keiner etwas spielen wie es ursprünglich gemeint war. Hilary Hahn hat eine faszinierende Art ihren eigenen exakten Charakter einzufügen, die zu der klaren Barockmusik großartig passt. Auch wenn das Tempo wahrscheinlich schneller ist als ursprünglich vorgesehen, der Klang der einzelnen Instrumente sich verändert hat, harmoniert die Interpretation irgendwie mit dem Stück, finde ich. Es ist eine etwas andere Organisation der Zeit mit verschiedenen Zeitverschiebungen, unter anderem von früher nach heute-früher und und nicht wie bei der historischen Aufführungspraxis nach früher-früher. David Oistrach, einer der bekanntesten Geiger nach dem 2. Weltkrieg spielt das Violinkonzert wieder anders, verglichen mit Hilary Hahn sehr langsam. Erinnerungen eines Unbekannten an ein Konzert von David Oistrach vom 24. Mai 1966: "Obwohl es Stimmen zur Bach-Interpretation durch D. Oistrach gibt, die sich am zu großen Ton festmachen. Demgegenüber konnte man in diesem Konzert die hohe Stilsicherheit Oistrachs als verläßlichen Faktor bewundern. Die Bach-Interpretation war perfekt, der große strahlende Ton als Besonderheit zu werten." Würde man das heute auch so sehen? Kommt es darauf überhaupt noch an? Ich finde nicht. Auch die alte Musik hat verschiedene Zeitzonen, die der Interpreten im Zeitgeschehen und den (fehlenden oder bestehenden) Anspruch an historische Nachahmung.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen