Mittwoch, 28. Oktober 2009

skandalöse kunst - kunstskandale

Die deutschen Kunstskandale scheinen ihre Ursache häufig - wahrscheinlich hoch simplifiziert aber immerhin doch als roter Faden erkennbar - in Darstellung oder Zurschaustellung von Sex, Drugs, und Rechtsradikale oder Religion zu haben. Als anstößig empfand man 1963 den ornanierende Junge von Georg Baselitz, erst vor kurzem den goldenen Hitlerzwerg von Otmar Hörl. Immendorf hat die Öffentlichkeit mit Drogenexzessen geschockt. Natürlich lassen sich auch "Skandale" wie die Fettecke von Joseph Beuys, die von einer übereifrigen Reinigungsfachkraft entfernt wurde, in eine Reihe von Kunstskandalen aufnehmen. Aber solch ein Vorkommnis skandalisiert nicht Künstler oder Kunst, sondern im Gegenteil ein fehlendes "Kunstverständnis" Vieler (obwohl es nun auch einer Art Avantgarde wohl ansteht, Vorreiter zu sein und Neues, Vielen zunächst nicht Zugängliches zu produzieren). Die Aufsehen erregenden, Anstand verletzenden Themen der Kunst und Künstler selbst scheinen also doch grob erfasst.
Als 1963 Georg Baselitz seine Bilder "Die große Nacht im Eimer" und "Der nackte Mann" in seiner ersten Einzelausstellung der Berliner Galerie präsentiert, beschlagnahmte die Polizei diese anstößigen Objekte. Eines zeigt einen Zwerg oder Jungen, der mit übergroßem Geschlechtsorgan onaniert. Bereits morgens um vier Uhr veröffentlichte eine Zeitung die Schlagzeile "Sittenskandal am Kurfürstendamm". Der Prozess zog sich hin, erst der BGH hat das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt. Heute gehört das Bild zum Bestand des Museum Ludwig in Köln.

Der Nürnberger Kunstprofessor Otmar Hörl ist seit Juli 2009 einem Strafverfahren ausgesetzt, da seine goldenen Gartenzwerge, die ihre rechte Hand zum Hitlergruß erheben, möglicherweise einen Straftatbestand der Verwendung. Ein Unbekannte hat die Skulptur in einer Nürnberger Galerie gesehen und sich öffentlich beschwert, und das obwohl der Zwerg in zwei Ausstellungen in Gent und Bozen allenfalls eine angeregte Diskussion ausgelöst hat.

Eine Frage drängt sich aber doch auf: schön muss man die Objekte nicht finden, als anstößig kann man sie vielleicht betrachten, aber ist es Aufgabe der Polizei, der Strafgerichte ein ausgelöstes Unwohlsein in strafrechtliche Sanktionen umzuwandeln? Natürlich bedeutet künstlerischer Ausdruck keine Lizenz zur vollkommenen Freiheit, kein Künstler lebt in einem rechtsfreien Raum. Aber wo ist der Sinn für Ironie, für Überzeichnung und Vielschichtigkeit von Kunstdeutungen. Der Zwerg weist doch auf die wahre geistige Kleinheit des Nazi-Regimes hin. Der onanierende Junge mag auf die Überbetonung der Geschlechtsorgane im Westen oder Ähnliches hinweisen. Es gibt viele Sichtweisen auf Kunst und die ästhetische ist sicher nur eine davon. Inwiefern daraus eine Strafbarkeit folgt ist eine diffizile Abwägung im Einzelfall. Insgesamt dürfte aber für Kunstskandale regelmäßig - wie im Fall von Baselitz - das Strafrecht als zu schweres Schwert zu sehen sein und die Geringfügigkeit des Vergehens ein angemessenes Verdikt.

1 Kommentar:

Armageddon hat gesagt…

Aber solch ein Vorkommnis skandalisiert nicht Künstler oder Kunst, sondern im Gegenteil ein fehlendes "Kunstverständnis" Vieler.

Falsch!
Jeder vernünftige Laie versteht mehr von Kunst, als ein „Experte“ der Beuys, Warhol oder Baselitz für Künstler hält!

wie viel dein Kunstmüll-Blog gelesen wird, zeigt die Anzahl der Kommentare. Null Kommentare = Null Resonanz.
Du hast den Beitrag für die Katz geschrieben oder alle negativen Kritiken entfernt.

Gute Nacht Kunst!

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